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Du sitzt auf einem Schleudersitz

Hahnetritt, Vichy, Ikat, Paisley. Mit bunten Mustern, guten Stoffen und Wohnkultur kennt sich Theresa Witt-Dörring von M. Faber & Co. aus. Seit mehr als 20 Jahren lenkt sie die Geschicke des Traditionsunternehmens in Wien Favoriten. Zugetraut hat ihr das anfangs niemand. Zu unrecht. Wie die Nachfolge im Familienbetrieb mit Zuversicht und viel Respekt gelingt, wissen hingegen ihre Töchter Louise und Anna, die das schönste Stoffgeschäft der Stadt Schritt für Schritt nach dem eigenen Geschmack formen.

Im Gespräch mit Doris Passler


Theresa Witt-Dörring lebt ihre Leidenschaft für Stoffe


Salon Profession: Die Unternehmensgeschichte von M. Faber & Co. begann mit einem Abenteuer spitzfindiger Geschäftsleute. Was ist 1833 passiert?


Theresa Witt-Dörring: Damals waren geklöppelte Spitzen en vogue. Sie wurden in mühevoller Handarbeit hergestellt und waren sehr teuer. Bis eine Innovation aus England kam: die Bobinet-Maschine. Damit konnte man Tüll und Spitzen maschinell herstellen. Eine Revolution. Mein Ur-Ur-Ur-Großvater – Moritz Faber – und sein Kompagnon hatten die Idee, diese Maschine nach Österreich zu bringen. Trotz Exportverbots.

Darauf stand die Todesstrafe.

Ja, aber das Verbot betraf nur Textilmaschinen als Ganzes und nicht ihre Teile. Deshalb haben die drei gewieft die Bestimmung umgangen.

Wie das?

Sie haben die Maschine in England gekauft, zerlegt, in verschiedene Häfen in Europa verschifft und alles in Letowice – in Mähren – wieder zusammengebaut.

Innerhalb kürzester Zeit bauten sie eine Textilfabrik zur Herstellung von Gardinen auf und belieferten bald die ganze österreichische Monarchie. Die Fabrik gibt es noch heute. 1.000 Leute sind beschäftigt, aber sie ist nicht mehr im Familienbesitz. Wir wurden 1945 enteignet.



Gab es danach keine geschäftlichen Verbindungen mehr?

Doch. In den 80ern hatten wir so viele Aufträge, dass wir die Produktion in unserem Werk hier in Favoriten mit über 80 Angestellten nicht schafften. Ich ließ in Letowice im Lohn arbeiten, aber alles hat furchtbar lange gedauert.

Das Arbeitsethos im Kommunismus entsprach nicht unserem Tempo.

Sie sind frisch nach dem Jus-Studium in den Familienbetrieb eingetreten. Teileigentümerin war ihre Mutter, ihr Vater und ein Onkel waren Geschäftsführer. Gab es keine Rivalitäten? Wollte sonst niemand aus ihrer Generation die Nachfolge antreten?

Wir sind eine große und kinderreiche Familie. Aber ich war die einzige, die Interesse hatte. Ich merkte vom ersten Tag an: 'Das ist genau meins'. Gegenüber den 'alten' Herren musste ich mich allerdings als junge Frau erst profilieren.

Keiner traute mir das zu. Einer meiner Onkel sagte: Du sitzt hier auf einem Schleudersitz.

Wie muss man ausgestattet sein, damit einen das nicht entmutigt?

Ich bin kommerziell begeistert, lasse nicht locker und landete mit kreativen Einfällen Erfolge. Außerdem wollte ich mich trotz Kindern beruflich beweisen. Ich war damals mit Louise, Kind Nummer zwei, schwanger.

Wir waren eine Kommanditgesellschaft. Als der Komplementär starb, musste laut Gesellschaftsvertrag jemand aus der Familie nachfolgen. Das war dann ich.



Aber eigentlich wollten Sie Richterin werden?

Das war einer meiner Berufswünsche. Ich wollte die Welt verbessern. Positiv gestalten konnte ich wahrscheinlich in meinem Betrieb viel mehr.

Sie haben Vorhänge hergestellt, in 20 Länder exportiert und große Möbelhäuser wie Leiner oder Michelfeit beliefert. 1995 mit dem Beitritt Österreichs zur EU waren die Märkte über die Grenzen hinweg offen. Österreichs Textilindustrie kam zunehmend in Turbulenzen.

Die 80er und 90er Jahre waren für einen produzierenden Textilbetrieb wie unseren nicht einfach.

Der Preisdruck war enorm. 1999 musste ich die Notbremse ziehen. Wir waren insolvent.

Alle 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kamen in eine Arbeitsstiftung. 50 Produktionsmaschinen – auch die historischen Tüll-Anglaise-Maschinen meines Ur-Ur-Ur-Großvaters – habe ich in die ganze Welt verkauft bis nach Malaysien. Die Produktionshalle habe ich vermietet. Es war eine schwere Zeit.

Schade. Die Bobinet-Maschinen hätte ich gerne noch gesehen. Gab's noch einen Rettungsanker?

Unser Depot an Stoffen und textilen Fertigware.

Als die Leute im Radio hörten, dass wir aufhören, stürmten sie unser Lager und kauften Vorhänge. Das war der Einstieg ins Detailgeschäft.

In kurzer Zeit schafften wir den Ausgleich und ich begann zu träumen. Durch eine Fügung kam die Traditionsweberei Backhausen aus dem Waldviertel auf uns zu, die nicht wusste, was sie mit ihren Reststoffen tun sollte und mieteten sich für die nächsten 18 Jahre bei uns ein. Damit starteten wir als Permanent-Abverkauf, den wir bis heute sehr erfolgreich betreiben.

Ihre Töchter Louise und Anna sind gerade dabei, M.Faber & Co. zu übernehmen?

Louise Witt-Dörring: Ich habe Modedesign und Philosophie studiert und kam sehr überheblich in den Betrieb. Ich konnte mich überhaupt nicht identifizieren und wollte alles radikal verändern.

Wir sind ein traditionelles Unternehmen und sehr familiär. Vielleicht hat es damit nichts zu tun, aber ich merkte schnell, dass eine 'gesunde' Veränderung besser Schritt für Schritt passiert.

Dass wir heute eines der schönsten Stoffgeschäfte in Wien führen, haben wir alle drei gemeinsam erreicht.


Große Auswahl zauberhafter Stoffe bei M.Faber & Co in Wien Favoriten



Eine Familie, drei gleichberechtigte Stimmen – wie gelingt Einigung?


Louise:

Es war nie ein Bruch oder Streit da. Trotzdem war es schwierig, als Familie zusammenzuarbeiten.

Seit drei Jahren arbeiten wir mit einer Therapeutin und Unternehmensberaterin zusammen, die uns dabei begleitet, die Firma gemeinsam weiterzuentwickeln.

Anna, Theresa und Louise Witt-Dörring


Ein sehr weiblicher Zug. Ihr Schritt ins Unternehmertum – war das ein Sprung ins kalte Wasser oder ein sanfter Start?

Louise: Ein sanfter Start. Ich habe nie anderswo gearbeitet und habe keinen Vergleich. Aber ich genieße von Beginn an das volle Vertrauen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und übernahm schnell Verantwortung, wenn die Chefin-Mutter (Anm. Theresa Witt-Dörring) nicht da war. Da muss man sich dann eben selbst was ausdenken. Für ihren Rat bin ich aber dankbar. Ich möchte das Unternehmertum noch von der Pike auf lernen und unsere Ideen umsetzen.

Wie ist Ihr Führungsstil?

Louise: Unser Führungsstil (lacht). Intuitiv würde ich sagen.

Und wenn mal etwas nicht klappt?

Louise: Damit muss man leben. Unzufriedene Kundinnen und Kunden, Mieterinnen und Mieter oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – das gibt es alles.

Eigenen Fehlern ins Auge schauen und draus lernen, ist unser Motto. Es gibt immer Lösungen.

Wer kauft bei M. Faber & Co. Vorhänge, Kissen oder Möbelstoffe?

Anna Witt-Dörring: Wir haben finanziell sehr unabhängige Kunden, da ist die Beratung einfach, weil sich Wünsche gut umsetzen lassen. Die meisten Menschen aber müssen mit ihrem Budget haushalten. Wir wollen, dass jede und jeder, der zu uns kommt, seine Wohnträume erfüllen kann. Egal, ob Menschen ein großes oder kleines Budget für das Wohnen haben – alle sollen bei uns qualitätsvolle Beratung bekommen.

Wir wollen nicht nur exklusive Designerkollektionen anbieten.

Gute Stoffe, echte Menschen – lautet ihr Motto. Was bedeutet das?


Anna:

Preis ist nicht gleich Qualität. Ein teurer Stoff muss kein guter Stoff sein, und ein guter Stoff muss nicht teuer sein.

Wenn wir eine ganze Stoffrolle mit 30 bis 40 Metern auf Lager kaufen, geben wir den Preis weiter.

Es muss fair bleiben.


Wie entscheidet ihr, was eingekauft wird?

Louise: Früher hatten wir viele Grundsatzdiskussionen: Kaufen wir Stoffe, die uns selbst begeistern oder Stoffe, die gut gehen. Heute wissen wir, dass wir uns auf unseren Stil verlassen können und unser Angebot durch unsere Auswahl eine prägnantere Aussage bekommt. In diese Richtung wollen wir uns weiterentwickeln.

Was wir gut finden, verkaufen wir glücklicher und überzeugen damit die Kundschaft, die wir uns wünschen.

Vorhänge zu kaufen ist gar nicht so einfach. Warum eigentlich?


Anna: Man muss sich den Stoff in großer Fläche vorstellen, in einem Raum. Viele haben keine Idee, wie viele Arbeitsschritte bis zum fertig aufgehängten Vorhang zu tun sind. Wir beraten deshalb nicht nur im Geschäft, sondern auch vor Ort in Wohnungen und Häusern. Wir gehen auf den Stil der Kundinnen und Kunden ein, beraten, planen, nähen und montieren – und unsere Vorschläge müssen zum Budget passen.

Menschen sind nicht geübt darin, Vorhänge zu kaufen. Wie oft macht man das schon im Leben?


Woher kommen all die schönen Stoffe?

Theresa: Wir kennen die Produzenten, große und kleine Verleger und treffen unsere Partner jedes Jahr auf Messen in Italien, Paris, Frankfurt, Salzburg oder Brüssel. Wir schauen uns die Kollektionen an und wissen, was am Markt ist. Dann werden ganze Stoffrollen, Musterschals oder Stocks geordert. Überwiegend sind es Stoffe aus Europa.



Wie sieht es mit den Lieferketten seit Corona aus?


Theresa:

Zu Beginn der Lock-Downs war völlig unklar, ob wir überhaupt neue Ware bekommen.

Unser Glück war wiedermal unser Lager mit reichlicher Stoffauswahl auf etwa 800 Quadratmetern. Wir konnten unsere Aufträge gut bedienen und haben neue Kundinnen und Kunden gewonnen, die uns über die Website auf der Suche nach hübschen Maskenstoffen entdeckt haben.

Na, da zähle ich gleich mal dazu. Was macht M. Faber & Co. einzigartig?

Louise: Unsere Leidenschaft für Stoffe und Interieur.

Und seit neuestem für Möbel. Wer für seinen Fauteuil einen neuen Bezug sucht, ist auch richtig?

Theresa: Ja. Das Möbeltapezieren ist eine neue Schiene von uns. Unheimlich spannend. Ein schwieriges Metier.

Man braucht viel Fachwissen über Möbelstoffe, Stil, historisches Handwerk und die Tapeziertechnik.


Gut zu wissen, mein Sofa könnte längst eine neue Hülle vertragen. Ist es eigentlich schwierig am Stadtrand von Wien ein Stoffgeschäft zu führen?

Louise: Nein. Wir sind hier verwurzelt. Und jetzt mit der U-Bahn vor der Tür wird sich der Stadtteil neu entwickeln. Neue Menschen und Firmen lassen sich nieder, es gibt den Uni-Campus und unsere Kundinnen und Kunden erreichen uns schnell und klimafreundlich. Wir planen auch, unseren Standort mit einem neuen Gebäude als Co-Working Space auszubauen. Aber das ist Zukunftsmusik.

Für den 10. Bezirk sehen wir als Stadtteil eine prosperierende Zukunft.


Theresa, Anna und Louise Witt-Dörring sind das Dreiergespann von M. Faber & Co. und verwirklichen ihre Ideen von guten Stoffen für echte Menschen. Reinschauen lohnt sich.

Alle Fotos © Laurenz Feiniig/M. Faber & Co.



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