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Ein Paradies, das glücklich macht

Eschi Fiege hat fünf Monate vor dem Corona-Lockdown "Das kleine Paradies" in Wien eröffnet. Ein charmantes Esslokal in einem ehemaligen Büromaschinen-Geschäft in der Wiener Josefstadt. Jetzt ist es geschlossen. Vorläufig. Im Interview erzählt die Kochbuchautorin, was Kochen mit Liebe zu tun hat, was ihr Freiheit bedeutet und wie sie ihr Unternehmen auf eine Weise führt, die alle glücklich macht – die Chefinnen, das Team und die Gäste.

Im Gespräch mit Doris Passler


Eschi Fiege kocht aus Leidenschaft seit sie ein kleines Mädel war.

Photo © brandstätter Verlag / Vanessa Maas


Mein Plan war ein anderer. Ich wollte Eschi im kleinen Paradies in der Blindengasse im 8. Bezirk treffen. Doch dann kam die Coronakrise. Plötzlich gab es Notfallpläne und Ausgangsbeschränkungen und wir haben uns nicht getroffen. Wir haben telefoniert.

Salon Profession: Wie geht es mit deinem Lokal weiter?

Eschi Fiege: Es ist verrückt und schmerzlich. Wir haben am 16. Oktober 2019 aufgesperrt und sperrten exakt fünf Monate später wieder zu vorläufig. Wir werden sehen was kommt, nachdem die Maßnahmen der Regierung, die ich im übrigen für richtig halte, gelockert werden. Sicher ist nur, dass die Zukunft ungewiss ist.

"Das kleine Paradies" ist nur eines deiner beruflichen Standbeine. Gerade hast du dein drittes Kochbuch veröffentlicht. "There is more than pasta" richtet sich an junge Leute, die ausziehen, den Versorgungskosmos Familie verlassen und an Kocheinsteiger. Ganz schön aktuell. Ich denke, Kochen erlebt im Moment eine Renaissance, weil man sich im #stayathome Modus selbst versorgen muss.

Das ist sicher eine der guten Seiten dieser Krise. Menschen kochen oder fangen damit an. Mein Kochbuch kommt da vielleicht gerade richtig.

Was bietet es?

12 Kochideen, die man endlos variieren kann – Eintopf, Bällchen & Co oder vom Blech weg.

Man muss nicht 365 Rezepte beherrschen, um 365 Tage im Jahr gut zu essen.

Man muss nur verstanden haben, wie Kochen grundsätzlich geht – vorbereiten, anbraten, kochen, fertigstellen zum Beispiel. Dann ist man frei und kann in der Küche machen was man will, besonders in Zeiten wie diesen. Das Buch verhilft zu mehr Kochautonomie.

Kochen kann und will heute aber nicht jede und jeder. Sind deine Rezepte so verführerisch einfach?

Kochen ist weder einfach noch muss es kompliziert sein. Zugegeben, nicht alles ist im Handumdrehen fertig. Aber eigentlich geht es um etwas Anderes:

Wenn man Kochen ins Leben integriert, kommt man schnell drauf, wie schön es ist. Der Akt des Kochens wird dann Teil des Guten, das man sich tut.

Vor mehr als 20 Jahren hast du mir ein Rezept für einen Mandel-Schokolade-Kuchen gegeben. Ich liebe diesen Kuchen immer noch. Wie alle in meiner Familie.

Schön (lacht). Ja, diese Dinge können einfach was. In jeder Familie gibt's dieses eine Rezept, das von Generation zu Generation weitergereicht wird.

Mein ältester Sohn ist gerade in eine WG gezogen. Dort wird gekocht zumindest manchmal. Was macht dich sicher, dass "There ist More than Pasta" bei jungen Leuten ankommt?

Weil viele junge Menschen um die Zwanzig bei dem Buch mitgemacht haben: Meine Tochter Elsa, die gerade auszieht, und ihre Freunde haben Probe gegessen und Rezepte getestet. Die Tochter eines engen Freundes studiert Kunst, von ihr kommt der Titel. In Oliver Kartak's Designklasse an der Angewandten haben wir gefragt, wer das Buch gestalten will. Rausgekommen ist das wunderschöne Grafikdesign von einer 22-jährigen Studentin.

Das Buch ist von Jungen für Junge gemacht. Ich fände es komisch, wenn man als Generation 50+ vorgibt, es besser zu wissen.

Wann hast du mit dem Kochen begonnen?

Schon meine Oma und meine Mutter waren leidenschaftliche Köchinnen. Als kleines Mädel haben sie es mir überlassen, die Salatsauce zu machen. Meine Mutter sagte immer: 'Mach du nur. Deine schmeckt besser.' Das war natürlich großartig, wenn man einem Kind solche Dinge zutraut. Außerdem waren bei uns immer viele Leute zu Gast, die ordentlich bewirtet wurden.

Wir lebten wie auf einem großen Bauernhof mitten in der Stadt. Seit ich 16 bin koche ich und es hat nie mehr aufgehört.

Du wohnst am Wiener Naschmarkt und hast vor ein paar Jahren zweimal die Woche Leute mittags zu dir nach Hause zum Essen eingeladen. Wie kam das?

Als selbständige Autorin hatte ich die Freiheit für meine Tochter frisch zu kochen. Da kamen oft Freunde mit und ich habe immer ein bisschen mehr gemacht. Dann waren wir drei, vier oder fünf und es rief noch wer an, der in der Gegend war, und kam dazu. Das fand ich lustig und hab publik gemacht, dass es 'Mittagstisch' gibt, wenn ich das karierte Tischtuch raus auf den Balkon mit Blick auf die Wienzeile hänge. Wer mochte, konnte vorbeikommen. Das hat sich rumgesprochen. Aus diesen Tagen stammt mein erstes Kochbuch mit dem Titel "Mittagstisch".

Du sagst: Für Leute zu kochen ist sichtbare Liebe. Warum?

Ganz einfach, weil es pure Liebe und Wertschätzung für den anderen ist, wenn man sich ein paar Stunden in die Küche stellt und etwas Leckeres zubereitet. Oder diese kleinen Gesten: Wenn man für den Liebsten den Kaffee so macht, wie er ihn mag oder durch die halbe Stadt radelt, um den Lieblingskuchen zu besorgen.

Ich finde die Menschen sollten sich öfter fragen: Was kann ich für die Liebe tun, statt, was kann die Liebe für mich tun? Über's Kochen lässt sich das wunderbar ausdrücken. Und da kommt dann natürlich auch viel zurück.

Es ist nicht nur das. Wenn ich zum Beispiel inspiriert koche, schmeckt es besser. Wenn ich hingegen ohne Lust koche, wird's fad.

Du sagst es. Man schmeckt, ob Freude drinnen steckt. Keine Ahnung, warum das so ist. Vielleicht ist es ja was Mystisches (lacht). Ich bin jedenfalls überzeugt: Kochen und Liebe gehören zusammen.

Was würdest du nie kochen?

Etwas mit einem noch lebenden Tier oder Innereien. Die mag ich nicht und ich wüsste auch gar nicht, wie die schmecken sollen. Ich habe keine Vorstellung davon. Genauso wenig wie vom Whiskey. Den versteh ich auch nicht.

Zum kleinen Paradies. Was hat es mit dem hübschen Namen auf sich?

Der Name ist für uns Programm. Ich wollte mit meiner Geschäftspartnerin Michi Klein, die auch die Weinhandlung Unger & Klein betreibt, einen Ort schaffen, der für alle, die hier arbeiten, gleichsam freudig ist. Nicht nur für uns als Chefinnen.

Das ist unsere Idee von guter Arbeit: Man geht hin, tut sein Werk und geht glücklicher wieder nach Hause. Wie in einem kleinen Paradies.

Das gilt für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für unsere Gäste und uns selbst.


Michi Klein und Eschi Fiege führen ihr Esslokal so, dass alle etwas davon haben. Photo © Das kleine Paradies / Roland Unger


Wie funktioniert eure Idee von guter Arbeit?


Wir sind gewinnorientiert.

Aber Geld ist nicht der entscheidende Faktor, um zufrieden zu sein. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen, sie arbeiten gerne hier, weil der Arbeitsplatz für sie zum zweites Zuhause wurde.

Das ist für uns ein großes Kompliment. Michi und ich sehen es als unsere Aufgabe als Unternehmerinnen, diese Ursuppe herzustellen, aus der so ein Gefühl entstehen kann.

Wie macht ihr das?

Wir fragen unsere Leute zum Beispiel: Was braucht ihr, damit es Euch und unseren Gästen gut geht. Wir sehen uns als diejenigen, die die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.

Konkret?

Lokalkonzept und Interieur haben unsere Handschrift. Michi und ich haben uns hier mit Liebe zum Detail ausgetobt, inspiriert von der Geschichte des Ortes, dem Jugendstilhaus und der Moderne: Metertiefe Schaufenster fungieren als intime Gästeräume, viel dunkles Holz, Vertäfelungen, eine funkelnde Bar und Samthocker in Rottönen.


Und bei der Karte?


Beim Küchenkonzept haben wir hingegen nur Vorgaben gemacht: Zum Beispiel, dass unsere Gäste keine einzeln angerichteten Teller bekommen, sondern große Stücke miteinander teilen sollen. Unser talentierter Küchenchef Tomaž Fink setzte das mit dem gesamten Team nach eigener Interpretation fabelhaft um.

Auf eine Weise, die ich nie hätte vorgeben und die ich mir nie hätte vorstellen können. Das ist wunderbar.

Was wünscht ihr euch von eurem Team?

Wir wollen, dass jede und jeder das kleine Paradies mit seiner Persönlichkeit mitgestaltet.

Das führt zu großen Entdeckungen von Talenten wie Reza. Er hat als Abwäscher begonnen und ist unheimlich geschickt. Mittlerweile ist er Küchenhelfer. Auch Ausbildung wollen wir ermöglichen.

Ihr beschäftigt auch Menschen, die in Österreich Zuflucht gefunden haben.

Meine Partnerin Michi Klein betreibt im gleichen Haus den Verein Tralalobe, der anfangs minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen eine Perspektive geben wollte. Die Wohnungen auf drei Stockwerken über dem kleinen Paradies werden vom Verein betrieben und sind mittlerweile von weiteren vulnerablen Menschen wie Alleinerzieherinnen oder LTGB bewohnt. Vier Leute aus diesem Projekt arbeiten bei uns im Esslokal, so wie Reza.

Viele kennen dich als Freigeist. Woher kommt dieser Charakterzug?

Ich glaube, das bekommt man nicht anerzogen. Als kleines Mädchen bin ich immer alleine losmarschiert, wenn wir im Gartenhaus waren, und hab alle Leute besucht, die rundum wohnten. Ich hatte so eine Tour und überall habe ich was gekriegt. Von der Frau Sabetitsch immer so letschatte Soletti. Von einer anderen steinalten Nachbarin, die geraucht hat wie ein Schlot, immer Kekse.

Alle diese Menschen waren sehr eigenartig und ich fand sie total spannend. Ich bin unheimlich neugierig und ich glaube das schafft die Grundlage dafür, frei sein zu wollen.

Meine Freunde waren überrascht, dass ich mich nun mit einem Lokal binde. Das empfinde ich überhaupt nicht so.

Für mich ist das kleine Paradies ein riesiges Feld an aufregenden Neuigkeiten und Freiheiten, wenn man so will.

Und was empfiehlst du lukullischen Freigeistern und Kocheinsteiger*innen?

Erfahrungen sammeln und lernen. In der Küche müssen nicht die kompliziertesten Rezepte den Takt angeben. Wenn man ein neues Gericht probiert oder Anfänger ist, braucht es vor allem Lust und Neugierde. Später kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass es mal schwierig war, sowas Simples wie ein Ei anzubraten oder etwas Raffinierteres wie einen Teig herzustellen. Beim ersten Mal ist das aber völlig neu. Ausgang ungewiss. Und dann muss man noch verstehen, dass man beim Kochen niemanden nachahmen muss, sondern so kochen sollte, wie man es selber meint.

Dann entwickelt sich eine eigene Kochsprache, die dem Gaumen noch besser schmeckt, wenn Freude und Liebe drinstecken.

Kochbücher von Eschi Fiege - eine Empfehlung

There is More Than Pasta, Pichler-Verlag 2020

Lovekitchen, Brandstätter Verlag, 2016

Mittagstisch, Brandstätter Verlag, 2014

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